Er hätte es sich einfach machen können. Mit irgendeinem Publikumsrenner, der die Zuschauer garantiert von den Sitzen reißt. Seine erste Spielzeit als Intendant des Rheinischen Landestheaters mit dem Schauspiel „Mamma Medea“ des Belgiers Tom Lanoye zu eröffnen, zeigt besser, aus welchem Holz Reinar Ortmann geschnitzt ist. Er hat etwas zu sagen,  redet nicht drumherum. Die Spielzeit 2018/2019 trägt die Überschrift „Welt vermessen“. Da schien ihm Lanoyes Nachdichtung des antiken Medea-Mythos ein passender Aufschlag – mit Themen wie Fremdheit, Flucht, Geschlechterkampf, enttäuschter Hoffnung, Rache. Das Publikum belohnte dies mit langem, anschwellendem Applaus.

Erzählt wird der klassische Medea-Stoff in neuem Gewand: Jason erringt mit Hilfe der Zauberkraft Medeas das legendäre goldene Vlies, das ihm den Thron von Jolkos sichern soll. Medea verrät Familie und Heimat, um dem geliebten Mann zu folgen. Doch dessen Pläne scheitern. Jahre später, nach einer weiteren Flucht, will Jason Medea los werden, um durch eine Heirat mit der korinthischen Königstochter Kreusa doch noch eine Machtposition zu erlangen. Die eifersüchtige Medea, die jenseits ihrer tatsächlichen Fähigkeiten zur frustrierten Hausfrau geworden ist, räumt die Widersacherin aus dem Weg und rächt sich grausam am untreuen Ehemann.

Regisseur Ronny Jakubaschk und seinen Schauspielern, allen voran natürlich Juliane Pempelfort in der anspruchsvollen Titelrolle, gelang es, das Publikum über zwei Stunden, in denen es im Zuschauerraum mucksmäuschenstill war, zu fesseln. Nach einer starken ersten Hälfte, die einige Elemente des antiken Theaters wie den Chor enthielt, steigerte sich die Inszenierung nach der Pause noch einmal. Vor allem die „Szenen einer Ehe“ in der billigen Küchenkulisse, die das wirtschaftliche Elend der Familie zeigte, hatten es in sich. Da liefen Juliane Pempelfort und Philipp Alfons Heitmann als Jason, der Medeas gründlich überdrüssig ist, zur Hochform auf. Überraschen musste selbst Kenner der Lanoye-Vorlage die Schlusswendung. Gekonnt spielt die Inszenierung mit den Erwartungen des Zuschauers, um diese dann zu enttäuschen. Auch daran wird deutlich: Den einen Medea-Mythos gibt es nicht. Jede Zeit interpretiert die Handlung auf ihre Weise.

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