Es ist ein Stück über vermeintliche Grenzen, die doch nur auf Angst und Konventionen beruhen. Deren Überwindung zeigen die Abenteuer der drei Tierfiguren, die glaubwürdig und warmherzig und ohne jede Sentimentalität - genau das macht das Stück so stark - verkörpert werden von Brett Carter, Johannes Mayer und Lukas Siebert.
Es wird musiziert, gesungen, gepfiffen, gebrummt. Gefühle. Emotionen und Athmosphären werden von einem Instrumentalensemble über Töne, Geräusche und Melodien transportiert. So arbeitet das Stück mehr mit Stimmungen als mit Worten. Zu diesen Stimmungen tragen auch das Bühnenbild und die Requisiten mit schönen Details bei.
„Kannst du pfeifen, Johanna?“ feiert das Leben, die Freude, die Freundschaft und vor allem die Fantasie. Und dabei ist es gar nicht entscheidend, ob Nils der „echte“ Opa von Berra ist. Und ob er am Freitag tatsächlich Geburtstag hat. Wenn es sich so anfühlt, dann muss es so sein. Und genau aus diesem Grund fühlt sich dieses Stück auch so gut an.
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Es geht um Berra, der keinen Opa hat und um Nils, der keinen Enkel hat. Mit seinem klugen Freund Ulf geht Berra also in ein Altersheim. Dort adoptieren sich der einsame alte Nils und der schüchterne Berra einfach gegenseitig. Die beiden Jungen locken Nils aus seinem Zimmer, geben ihm Lebensfreude, Schwung und das kindliche Vergnügen an der Anarchie wieder, während er den beiden das Drachensteigen bei und Pfeifen beibringt. Denn Nils’ Lieblingslied, nach dem Vornamen seiner längst gestorbenen Frau, ist ebenjenes „Kannst du pfeifen, Johanna?“ Brett Carter als Nils trällert es samt kleinem Tänzchen und Pfeifeinlage gleich mehrmals vor sich hin im Lauf der knappen Stunde. Am Ende kann dann auch der kleine Berra die Melodie erstklassig pfeifen. Aber da liegt Nils schon im Sarg. Es ist ein kluges Stück Musiktheater, das mit den Genres der sogenannten ernsten Musik so spielt, dass auch die jüngsten Hörer die Unterschiede verstehen und genießen können, von der Alten Musik, die neben dem Schlager bei Nils anklingt, bis zu zeitgenössischen Überlagerungseffekten, mit denen Ulf (Lukas Siebert) und Berra (Johannes Mayer) einander zwischen aufgerauten Tönen und Spuren großer Oper necken. Ein kleines Orchester ist unter Paul-Johannes Kirschners Leitung zu hören, in Marina Stefans Bühnenaufbau mischen sich Reales und Surreales auf spielerische Weise.
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Ronny Jakubaschk weist den drei Figuren Tiercharaktere und -kostüme zu. Ulf ist ein Fuchs, sein Freund Berra, der so darunter leidet, dass er keinen Opa hat, ist eine Maus. Der alte Nils, den die Jungs im Altersheim aufstöbern und der sich gerne auf die Rolle einlässt, ist ein Dachs. Das Stück erhält so Fabel- oder Parabelcharakter.
Auf der rechten Seite lebt Nils in einer Art Baumhaus, auf der linken ermöglichen drei Leitern mit darüber aufgehängten roten Lichtern das Klettern auf den Kirschbaum. Die Musiker schließen die Bühne breit gefächert nach hinten ab und sind, als „Kapelle“, ein eigener Handlungsort. Alles andere ist Phantasie im leeren Raum. Dass dieses Konzept über weite Strecken - sozuagen: abstrakt emotional - aufgeht, liegt an den vorzüglichen Sängern. Johannes Mayer als Berra kommt mit Gordon Kampes hier oft eingesetzter Methode, die Sänger aus dem Sprechen über den Sprechgesang in Ensemblegesang oder ariose Emphase hineingleiten zu lassen, hervorragend zurecht, stuft seinen individuell timbrierten, wohlklingenden Tenor dynamisch fein ab und vermittelt Berras Freuden und Nöte trotz Mauskostüm glaubhaft. Brett Carter hat einen kernigen, aber eher lyrischen Bass-Bariton. Und die emotionalen Aufschwünge gelingen mühelos und wirken geradezu mitreißend authentisch.
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